Kunstausstellung Dresden, moderne Kunst, Art Gallery, Christian Manss

Ausstellung
bei ITARICON

"Luftschuss" von Matthias Bausch

Ausstellung vom 20. März 2020 bis 30. Juni 2020

Gerade in diesen Wochen zeigt sich: Krisen sind immer auch Chancen – wenn wir sie richtig zu deuten vermögen und entsprechend handeln. Gleiches gilt für die Kunst. Ob sie uns „Luftschuss“, Kompass oder Trübstoff ist, das liegt bei uns.

Was ist geschehen? Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen? Fragen wie diese mögen uns angesichts der düsteren Landschaften in den Gemälden von Matthias Bausch durch den Kopf gehen. Der 1978 in München geborene Künstler lebt und arbeitet seit 2002 in Dresden, wo er an der Hochschule für Bildende Künste unter anderem bei Christian Sery Malerei und Grafik studierte. Die Ausstellung in der ITARICON-Art-Gallery vereint neun seit 2017 entstandene Arbeiten, an denen die leitenden Themen, die künstlerische Entwicklung sowie die prägenden gestalterischen Prinzipien von Matthias Bausch deutlich werden.

Die Landschaftsgemälde reflektieren die vielfältigen ökologischen wie ökonomischen Bedrohungen unserer Gegenwart, von Klimawandel und Naturkatastrophen, über Grundwasserverschmutzung, Elektrosmog und Überdüngung bis hin zur Verbreitung neuer Krankheiten. Wir blicken auf von Bergbau, Stürmen und Überschwemmungen heimgesuchte Landschaften voller Ödnis und Zerstörung. Sie erinnern an brüchige Tagebauflächen oder die flandrischen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs, auf Jahrhunderte vergiftet und verstümmelt. Mittendrin irren einige einsame menschliche Gestalten umher, ohne Ziel und Bezug zu ihrer Umgebung. Ihre Isolation wird noch betont durch knallbunte Hüpfburgen und Rutschen, die uns in Matthias Bauschs Werken immer wieder begegnen, ohne dass jemand da ist, der ausgelassen darauf herumtoben würde, schon gar keine Kinder.

Es sind surreale Landschaftsformationen von zumeist großer Tiefenräumlichkeit. In ihnen kommen Elemente und Motive zusammen, die zwar der uns umgebenden Welt entlehnt und in ihren Einzelteilen aus dem Alltag, von Fotografien und aus den Medien vertraut erscheinen, doch nun zu fantastischen Szenarien verschmolzen werden: Elemente von Spielplätzen und Freizeitparks, wie Klettergerüste und Hüpfburgen, technische und technoide Motive, wie Flugzeuge, Kondensstreifen oder auch an Teilchenmodelle erinnernde Strukturen, vereinzelte verfremdete oder vollkommen zerstörte Pflanzen, Brände und Explosionen, kulissenartige Häuserwände und dazwischen verlorene, wie ferngesteuert wirkende schlaffe menschliche Figuren. Aus all diesen disparaten Einzelteilen ‚baut‘ Matthias Bausch auf der Leinwand ebenso albtraumhafte wie illusionistische Landschaften. Mal erscheinen sie wie kleine konzentrierte Ausschnitte, etwa in „Elefant bei Nacht“, mal wirken sie wie Panoramabilder, so zuletzt in „Lion“. Sie alle irritieren durch die Mehrdeutigkeit und Bedrohlichkeit der einzelnen Bildgegenstände, die in ihrer Kombination vollkommen künstlich und unwahrscheinlich erscheinen, aber sämtlich in der Wirklichkeit wurzeln.

In den älteren Arbeiten von 2017 und 2018 kombiniert Matthias Bausch diese realistisch gemalten Puzzleteile der Wirklichkeit mit abstrakten geometrischen Formen, sodass scheinbar zweigeteilte Bildräume entstehen, wie in „Die Hand Gottes“, „Flächenbrand“ und „Last Flight“. Die Unterschiedlichkeit der innerhalb eines Bildraumes zusammengebrachten Mittel steigert die Wirkung der per se disparaten Partien im oberen und unteren Teil des Bildes. Gleichwohl gelingt es Bausch, stimmige und in sich geschlossene Kompositionen zu erzeugen, weil er die Farben und Formen wiederkehren lässt: In „Last Flight“ beispielsweise findet das orangefarbenes Düngemittel ausschüttende weiße Flugzeug vor strahlend blauem Himmel oben seine Entsprechung in der kaskadenartigen, an einen Friedenspelikan erinnernden orange-blau-weißen Origami-Form in der unteren, abstrakten Hälfte des Bildes.

Seit Jahren seziert Matthias Bausch in seinen Werken die Motivwelt der Spielplätze. Zunächst ging er dafür von flächenhaften buntfarbigen Netzstrukturen aus. Dann spitzte er das Groteske des Gezeigten zu, indem er vermeintlich kindhaft-niedliche Tierfiguren darstellte, die Kletterlandschaften oder künstlichen Indoor-Spielwelten entlehnt waren. Dass wir es in Bauschs Bildwelten dabei stets mit Symbolen für falsche Illusionen und Scheinwelten zu tun haben, verdeutlichen in den neueren Arbeiten die Darstellungen schreiend bunter aufblasbarer, mit Helium gefüllter Grinse-Clowns, Affen und Löwen in besonders pointierter Weise. Als schöne bunte Luftblasen sind sie Chiffren für verlockende Versprechungen und fehlgeleitete Entwicklungen und können in Kombination mit den isolierten, ins Abseits geratenen Menschenfiguren in den Bildern den Bezug zur unmittelbaren Gegenwart klarer herstellen.

Matthias Bauschs Bilder sind hochaktuell und politisch, aber keine eindimensionalen Handlungsanweisungen. Ambivalenz, Mehrdeutigkeit und Kontrastierung gerinnen hier zu komplexen malerischen Reflexionsräumen, die auf mehreren Ebenen funktionieren. Ihre Hintergründigkeit steigert Matthias Bausch weiter, indem er die genannten anspielungsreichen Bildelemente mit surrealen Versatzstücken kombiniert, wie Säulen mit Elefantenkopf oder Windhosen aus Feuer, oder im Wortsinn ‚hohle‘ Gegenstände einbaut: Mehrfach begegnen uns in den Bildern die kulissenhaften Fassaden von Fachwerkhäusern ohne Dach und Innenleben – das Haus als Symbol für Schutz und Privatsphäre ist löchrig und leer geworden und verweist darauf, dass es in einer globalen Welt keinen Ort gibt, um sich vor den menschengemachten Fehlentwicklungen und Gefahren zurückzuziehen. Was auf der Erde geschieht, was wir zulassen, geht uns alle an, denn es betrifft jeden von uns. Die mehrdeutigen Titel – wie „Abgrund“, „Flächenbrand“, „Die Hand Gottes“ oder „Last Flight“ – unterstreichen die Dringlichkeit und apokalyptische Wirkung dieser in den Bildern gezeigten ‚verkehrten Welt‘ noch.
Dr. Teresa Ende

Ausstellungen Matthias Bausch

  • 2019 // Deutsche Bank, Radebeul, DE // "Der Gärtner kam morgens und schnitt die Hecken"
  • 2019 // GEH8 Kunstraum und Ateliers e. V., Dresden, DE // "Gipfeltreffen"
  • 2018 // Galerie Ursula Walter, Dresden, DE // "Ursulasalon"
  • 2018 // Galerie Antonstadt, Dresden, DE // "OUVERTURE"
  • 2018 // Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Dresden, DE // "Sichtweisen II– Sächsische Malerei, Grafik, Fotografie"
  • 2018 // Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund, Berlin, DE // "Sichtweisen II– Sächsische Malerei, Grafik, Fotografie"
  • 2017 // Lipsiusbau, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dresden, DE // "Lipsius Vibes"
  • 2017 // Kunsthaus Fürstenfeldbruck, Fürstenfeldbruck, DE // "18. Kunstausstellung des Landkreises FFB"
  • 2017 // produzenten | galerie, Dresden, DE // "Junction"
  • 2017 // Galerie Flox, Schirlingswalde-Kirschau, DE // "Tabu und Bruch"
  • 2017 // produzenten | galerie, Dresden, DE // "Geburtstag"